Gesundheit, Arbeit

Was ist denn gut am älter werden?

In meinem Umfeld wollen fast alle alt werden, aber nicht alt sein. Altsein gilt nicht als attraktiv. Kein Wunder, wenn vor dem inneren Auge Altersheim und Pflegestation, Alzheimer und Demenz, Rollstuhl und Krankenbett auftauchen. Prof. Hans-Werner Wahl, Jahrgang 1954, einer der international renommiertesten deutschen Alternsforscher, weiß, dass diese Klischees wissenschaftlich nicht mehr haltbar sind. Er schreibt gerade ein Buch über die positive Psychologie des Alterns. In dieser Episode hat er uns vorab einiges dazu erzählt: https://open.spotify.com/episode/6xUOjPjbaxZn179bQ4hLDw?si=eYJ8wpFrRueYIuOOehwTMQ

Für diese Seite hat uns Prof. Hans-Werner Wahl folgendes geschrieben:

„Diese unguten Bilder des Älterwerdens müssen deutlich korrigiert werden. Da helfen keine „warmen Worte“, sondern die neuesten empirischen Befunde, nicht zuletzt jene der psychologischen Alternsforschung – meiner Disziplin. Dabei wird deutlich: Die Chancen des sog. „jungen“ Alters, etwa zwischen dem 60. und dem 80. Lebensjahr, müssen heute im Sinne einer qualitativ völlig neuen Lebensphase mit vielen Entwicklungspotenzialen gedeutet werden. Sogar jüngere Menschen sagen uns in Studien, dass sie einige ihrer Lebensträume heute genau in diese Lebensphase „verschieben“! Doch auch das „alte“ Alter jenseits etwa des 80. Lebensjahrs ist lang geworden – und dauert heute nochmals im Mittel fünf bis zehn Jahre. Sowohl die Herausforderungen des jungen wie des alten Alters verlangen völlig neue Herangehensweisen und Bewältigungskompetenzen.

Andererseits zeige ich in meinem gerade entstehenden neuen Buch anhand einer Auswertung von heute verfügbaren Dateninfrastrukturen zu lebensumspannender Entwicklung, dass menschliche Stärken wie „reife“ Bewältigungsstile, Selbstakzeptanz, emotionale Stabilität, Sorge für soziale Beziehungen, Empathie, Altruismus, Freiwilligenengagement, Engagement (nicht zuletzt finanziell) für nachfolgende Generationen und Spendenbereitschaft mit dem Älterwerden ansteigen. Verlusterleben, aber auch relativ hohe und breit gefächerte Ausprägung von menschlichen Stärken („human strengths“ der Positiven Psychologie) – das scheint heute das späte Leben vor allem auszuzeichnen“.

Prof. Dr. Hans-Werner Wahl ist Psychologe, Seniorprofessor und Projektleiter am Netzwerk Alternsforschung der Universität Heidelberg. Zuvor leitete er von 2006 bis 2017 die Abteilung für Psychologische Alternsforschung am Psychologischen Institut der Universität Heidelberg. Er promovierte 1989 an der Freien Universität Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen die Untersuchung von Wechselwirkungen zwischen Altern und Umwelt, Adaptationsprozesse im späten Leben, die Rolle subjektiven Alternserlebens sowie den Umgang mit chronischen Verlusten, speziell Sensorik- und Mobilitätseinbußen. Seine Beiträge sind mehrfach ausgezeichnet worden, so 2009 mit dem M. Powell Lawton Award der Amerikanischen Gerontologischen Gesellschaft, bei der er auch Fellow-Status besitzt. Er war auch Fellow des Marsilius-Kollegs der Universität Heidelberg. 2019 erhielt er den Advanced Scholar Award: Socio-behavioral Sciences der International Association of Gerontology and Geriatrics, European Region.