Politik, Gesellschaft,  Rente, Finanzen

Fachkräftemangel als Chance für Babyboomer

„Der Weg in den Un-Ruhestand. Jobs für eine entspannte zweite Lebenshälfte“. Mit diesem Titel hat Margaret Heckel ihr drittes Buch über den demografischen Wandel geschrieben. Margaret Heckel ist selbst Babyboomer, Jahrgang 1966, studierte Volkswirtin, erfahrene Politikjournalistin, Bestsellerautorin mit einem Buch über Angela Merkel.

Der demografische Wandel treibt sie seit Jahren um: „In den Anfang der 2000er Jahre hat mich unglaublich genervt, dass die Menschen so negativ über den demografischen Wandel geredet haben. Damals hatten wir eine Situation, wo die ganzen Sozialsysteme unter Druck waren. Rente, Pflegeversicherung, Gesundheitsversicherung, weil man dachte, dass die vielen alten Menschen, die es in Deutschland absehbar damals geben würde, eben diese Systeme so in Anspruch nehmen, dass sie dann eben Probleme bereiten. Und es gab damals in den öffentlich-rechtlichen Medien Filme, wo man alte Menschen bettelnd am Straßenrand in großen Städten völlig verarmt gesehen hat. Und es hat mich unglaublich genervt. Das war damals eben der Ausblick so 30 Jahre in die Zukunft von 2000 auf 2030.

Jetzt sind wir da ja fast schon dran und wir sehen, dass es nicht passieren wird. Es war damals einfach eine Falschinformation oder vollkommen übertrieben. Und mich hat es deswegen so genervt, weil ich schon immer fand, dass der demografische Wandel was grundsätzlich positives ist, nämlich dass jeder und jede von uns zusätzliche Lebenszeit geschenkt bekommt. Und dieses Geschenk der zusätzlichen Lebenszeit ist wirklich spektakulär. Es sind fünf Stunden jeder Tag, jedes Jahrzehnt zwei bis drei zusätzliche Lebensjahre. Und es wird eben dazu führen, dass viele von uns ihr neuntes, ihr zehntes Lebensjahrzehnt erleben werden. Der Opa meines Mannes, mein großes Vorbild in dem Fall, unser Opa Paul. Der wurde 102 Jahre alt.

Warum eigentlich eine Wegbeschreibung in den „Unruhestand“ und nicht in den häufg zitierten „verdienten Ruhestand“? „Man muss wissen, dies bedeutet in Deutschland für Frauen eine durchschnittliche Rentenbezugszeit von 22 Jahren, für Männer von 19 Jahren. Also wir reden von einer sehr langen Zeit, die jeder und jede natürlich so gestalten kann, wie er oder sie das tun möchte. Aber ich möchte dazu anregen, den Blick darauf zu werfen, vielleicht diese Zeit auch noch mal was beruflich Neues anzufangen, entweder Vollzeit oder Teilzeit. Und jetzt kommen wir eben in diesen wahnsinnig glücklichen Zustand, dass durch den demografischen Wandel wir in Deutschland ja einen ganz großen, inzwischen nicht mehr nur Facharbeitermangel, sondern richtiggehenden Arbeitermangel haben. Was für die Unternehmen schlecht ist, ist für uns die Arbeitnehmenden sehr gut, weil es uns neue Chancen bietet.

Im Untertitel heißt es Jobideen für eine entspannte zweite Lebenshälfte. Wann beginnt die zweite Lebenshälfte?

Bei mir beginnt sie so ab 50. Das ist ja für viele Menschen so ein wichtiges Datum nach wie vor. Und auch deswegen ab 50, weil ich davon überzeugt bin, dass 100-jährige Lebensspannen künftig ganz normal werden im 21. Jahrhundert. Vielleicht jetzt nicht unbedingt für alle Boomer oder ganz sicher nicht für alle Boomer, aber für die Kinder der Boomer, da ist schon sehr viel realistischer. Jedes zweite Mädchen, das seit dem Jahr 2000 in Deutschland geboren wird, wird ihren 100. Geburtstag erleben. Das wissen wir sicher. Das sagen uns die Forscher wirklich eindeutig. Da gibt es auch keine abweichenden Meinungen. Und wenn wir jetzt eben 100 Jahre künftig als Regellebenszeit haben, dann ist tatsächlich alles ab 50 die zweite Lebenshälfte.

Im Buchtitel geht es um eine „entspannte“ zweite Lebenshälfte. Was meinst Du mit entspannt?

Ich meine mit entspannt nicht gestresst, nicht in der Rush-Hour des Lebens, wo man eben innerhalb von wenigen Jahren angeblich alles erreichen muss. Also entspannt heißt ja nicht, dass es nicht spannend sein kann, sondern entspannt heißt einfach, dass es uns Spaß macht, dass wir Freude haben, dass wir wertgeschätzt werden, dass einfach auch die Aufgabe, die wir uns da suchen, ob sie denn später dann bezahlt sein wird oder ehrenamtlich möglicherweise, dass uns sie einfach gut durch diese zweite Lebenshälfte trägt, entspannt halt.“

Hörbar mehr in der Podcast-Episode mit ihr: