Gesundheit, Arbeit,  Politik, Gesellschaft

Wie früh gehen Babyboomer denn wirklich in Rente?

Rente mit 63? Klingt das für Dich attraktiv? Für mich auf jeden Fall. Ich werde genau in meinem 63. Lebensjahr in Rente  gehen. Worauf ich mich freue, macht der Politik und dem Staat zunehmend Sorgen. Apropos „zunehmend“. Wir Babyboomer müssen uns ständig messen lassen. Weil wir so viele sind ist unser Tun und Lassen für Politik und Wirtschaft richtig wichtig. Ob einige, viele oder gar „besonders viele“ von uns z.B. schon mit 63 Jahren in Rente gehen, hat erhebliche Auswirkungen auf Rentenkasse und Arbeitsmarkt. Aber der Reihe nach.

Schon mal vom „Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung“ BIB gehört? Unwahrscheinlich bis…zum 10.12.2022. Da gab just dieses Institut eine Pressemeldung heraus mit der Überschrift „Renteneintritt der Babyboomer: Für viele ist schon mit 63 Schluss“. Klare Aussage, klare Datenlage sollte man meinen. Zumal das in Wiesbaden ansässige BIB sich per Auftrag ausschließlich mit Ursachen und Folgen des demografischen Wandels beschäftigt. Übrigens „in Verwaltungseinheit mit dem Statistischen Bundesamt“. Und das nicht erst seit gestern. Das BIB wird im Februar 2023 seinen 50. Gründungstag feiern können.

Diese BIB-Meldung über die frührentenwilligen Babyboomer machte Furore. Zwei Tage später gibt Bundeskanzler Scholz ein Interview, das von der Funke-Mediengruppe die Überschrift erhält „Bundeskanzler Scholz: Mehr Menschen sollen bis 67 arbeiten“.  Das wiederum haben viiiiiiiiiele Medien als Nachricht gebracht, u.a. tagesschau.de, die Online-Ausgabe der gleichnamigen Nachrichtensendung – und wir J Link.

Es folgte einen Tag später eine Fülle von Kommentaren quer durch alle Medien. Den Preis für die beste Überschrift und einen wunderbar faktenfundierten Kommentar dazu würde ich wieder mal an die „Wirtschaftswoche“ vergeben. Die fand den für meinen Geschmack großartigen Titel „Zu viele Frührentner: Echt jetzt, Boomer – ihr wollt auch nicht arbeiten?!“. Der Kommentator interpretiert den Kanzler-Wunsch als Rüffel an seine Altersgenossen, die ja ansonsten gerne über die Arbeitsmoral der Generation Z mosert.

Und nun kommt Stufe drei Auseinandersetzung mit „Babyboomer und Frührente“. Diesmal sind Sozialwissenschaftler und Experten dran, die die Arbeit der Kollegen vom BIB noch mal genau anschauen und – zu deutlich anderen Ergebnissen kommen. Hier lautet die deutlichste Überschrift der „Trend zu früherem Rentenbezug ist rückläufig“. Die renommierte Sozialwissenschaftlerin Gabriele Pattloch belegt im „Portal Souialpolitik“ mit Zahlen der Deutschen Rentenversicherung Bund für die Jahre 2016 bis 2021, daß die Zahl derjenigen, die mit 63, 64 oder 65 Jahren vorzeitig in Rente gehen rückläufig ist.

Gabriele Pattloch macht gleich noch auf einen gern gemachten Fehler in der Berichterstattung hin:

„Wer jetzt noch von »abschlagsfreier Rente ab 63« schreibt, macht sich der Desinformation schuldig. Der Begriff ist bereits historisch und sollte auch nur noch so verwendet werden. Er galt für die bis 1952 Geborenen. Für alle Jüngeren – darunter die Babyboomer – steigt auch die Altersgrenze für besonders langjährig Versicherte und wird bei den 1964 Geborenen 65 Jahre erreichen.“

Unser Zwischen-Fazit: Die politische Debatte über „Frührente“ nimmt Fahrt auf, unabhängig von den tatsächlichen Zahlen. Die Wahrscheinlichkeit, daß die Hürden dafür in nicht allzu ferner Zeit höhergelegt werden steigt.

©sro 14.12.2022

Quellen:

BiB – Pressemitteilungen – Renteneintritt der Babyboomer: Für viele ist schon mit 63 Schluss

Nordrhein-Westfalen: Bundeskanzler Scholz: Mehr Menschen sollen bis 67 arbeiten | tagesschau.de

Zu viele Frührentner: Ok Boomer, ihr wollt auch nicht arbeiten!?

Trend zu früherem Rentenbezug ist rückläufig – Portal Sozialpolitik